Kathrin's unverhofftes Comeback auf der Langdistanz
Was zuvor geschah:
Es war eine riesen Überraschung, als ich dieses Jahr plötzlich bei einem längst vergessenen Gewinnspiel als die glückliche Gewinnerin eines Startplatzes bei der Challenge Roth auserwählt wurde.
Der große Haken an der Sache: das Rennen war nur noch 6 Wochen entfernt, natürlich hatte ich keinerlei Langdistanzvorbereitung absolviert und meine letzte lag nun auch schon 4 Jahre und eine Schwangerschaft zurück.
Aber: no risk no fun und ich hab ja nichts zu verlieren - also ein Belastungsblock, tapern und ab geht’s an den Kanal. Zuletzt war ich 2013 hier, zwischendurch hat sich so einiges getan. Dieses Mal also zu viert unterwegs und auf der Wiese direkt am Schwimmstart- unser Wohnmobil erweist sich hier als äußerst praktisch, schließlich hätte man 6 Wochen vorher keine Chance mehr auf eine Unterkunft gehabt.
Die Tage davor sind voll und es herrscht Festivalstimmung. Ich freue mich über die vielen bekannten Gesichter am Kanal und auf der Expo. Allerdings, das muss ich gestehen, bin ich sehr angespannt. Ich stehe vor meiner 4. Langdistanz und war noch nie so schlecht vorbereitet.
In der Nacht vorm Rennen wird unsere Tochter krank und hustet ständig, an Schlaf ist nicht zu denken. Ich schwöre mir, nie wieder sowas zu machen, wenn die Kinder noch so klein sind :-D Immerhin ist der Wecker auf die absolut komfortable Zeit von 5:15 gestellt- toll, wenn man so nah am Start „wohnt“. Die Kids werden schlafend in ihren Radanhänger verfrachtet und wir machen uns auf zur WZ 1.
Die Stimmung vor dem Start ist magisch. Die Ballons, die Zuschauer, die Musik… ich muss ständig weinen, bin sehr emotional. Bei all den Gefühlen verpasse ich fast meinen Start, als der Schuss ertönt gehe ich grad ins Wasser und bin noch gute 50m von der Leine entfernt (das gleiche ist mir vor 10 Jahren auch passiert!).
Das Schwimmen läuft entspannt. Anfangs etwas voll, später einfach nur herrlich. Ich empfand die 3.8km sonst immer als monoton, dieses Mal habe ich echt Spaß dran. Nach 1:12 komme ich aus dem Wasser- genau in meiner Prognose (1:10-1:15), ich schwimm einfach immer die gleiche Zeit, egal wie viel ich trainiere. Hauptsache ganz entspannt und ich bin echt happy damit. Die Helfer beim Wechsel sind wie gewohnt top.
Dann also aufs Rad, meine Lieben stehen am Ausgang der Wechselzone und ich bin echt gut drauf. Ich habe richtig Bock auf den Tag und auf mein Rad, mit dem ich mich endlich gut verstehe... doch nur wenig später beginnt auch schon das Drama. Irgendwie spürte ich null Kraft in den Beinen, bringe keinen Druck aufs Pedal. Zum Glück habe ich keinen Wattmesser, sonst würde ich vermutlich weinen, denk ich mir. Zusätzlich wird mir immer schlechter, sodass ich wirklich bereits ab Kilometer 20 (!) nur daran denke, wann ich am besten aussteige. Jede Trainingsausfahrt fühlte sich besser an, ich bin total frustriert. Aufgrund der Übelkeit denk ich an einen Infekt, da ich noch nie im Rennen irgendwelche Probleme damit hatte. Irgendwie bringe ich die erste Runde hinter mich und weil es jetzt ja auch nur noch eine weitere ist, beschließe ich, einfach weiter zu fahren. Die Zeit ist ok, für mich aber eh heute sekundär.
Leider wird es nun rapide schlimmer (und auch heißer). Bei Kilometer 100 muss ich mich dann leider auch übergeben. Mein Tempo sinkt von langsam zu ultra langsam und ich werde nur noch überholt. Ich weiß nicht, ob ich den Solarer Berg überhaupt noch hochkomme, gefühlt fall ich gleich mit Hitzschlag vom Rad, da fällt mir auf, dass ich wirklich wenig getrunken habe, dafür aber schon Unmengen an Gel verdrückt habe. Ich tausche nun das Gel gegen Iso/Wasser und versuche, einfach zu überleben, um dann in T2 auszusteigen, da bin ich mir sicher. Mein Schnitt fällt in der 2. Runde ganze 2km/h. Traurig macht mich, dass ich dadurch wenig genießen kann. Bei allen 3 Langdistanzen zuvor, konnte ich zumindest so bis Kilometer 100/120 echt viel von der Stimmung aufsaugen.
Nach 6:04 auf dem Rad erreiche ich viel langsamer als gedacht die 2. Wechselzone- aber mir ist nicht mehr schlecht und da mir die Zeit auch nicht so wichtig ist, sondern das Finish zählt, beschließe ich, zumindest mal loszulaufen... vielleicht passieren ja Wunder?
Meine vorbereitete Weste mit Gelflaschen lasse ich direkt im Beutel. Das kann ich absolut nicht mehr sehen. Beim 2. Wechsel mache ich insgesamt ganz, ganz langsam, da ich mich mental nun eh 100km auf ein DNF eingestellt habe. Und dann laufe ich los und stelle nach 2-3km fest, dass es doch eigentlich irgendwie geht und dass ich noch verdammt viel Zeit habe bis zum Zielschluss und dass es so viele Menschen hier gibt, die echt hart kämpfen für ihr Finish und dass ich einfach nur diese Medaille will (ich hab sie meinem Sohn versprochen!).
Ja und dann läuft es wirklich- gefühlt fliege ich, nehme mir an jeder Verpflegungsstation viel Wasser, Melonen und gelegentlich ein Gel. Ich kühle ohne Ende (es ist extrem heiß) und meine Familie ist erleichtert, denn sie waren echt besorgt. Mein Tief ist überwunden und das Rennen macht einfach nur Spaß. Nach Büchenbach rauf ist dann doch nochmal ne harte Nummer, ich leg ein paar Wanderpassagen ein, die mich aber weniger Zeit kosten als gedacht. Nach 3:58 und damit meinem absoluten Traum eines sub4 Marathons erreiche ich das Stadion. Leider will mein Sohn nicht mit mir ins Ziel laufen, das hätte ich mir sehr gewünscht, aber er ist zu schüchtern. Egal- dann halt alleine. Nach 11:25 laufe ich überglücklich ins Ziel.
Meine 4. Langdistanz ist damit geschafft- und wenn es auch die langsamste war, ist es die, auf die ich nun am meisten stolz bin. Wenn es mal nicht so läuft, werde ich mich immer an diesen Tag zurückerinnern und dass man sich auch nach einem kompletten Tiefpunkt wieder zurückkämpfen kann.
Der Tag endet für mich emotional bei Mondschein auf der Campingwiese. Ein unglaubliches Erlebnis für mich und etwas, was ich 6 Wochen zuvor nicht für möglich gehalten hätte. Die Magie in Roth ist wirklich da. 2024 kommen wir wieder- dann ist der Mann dran J