Für Kämpfertypen
So viele Kids bei den Ottobock Talent Days 2022 (c) Mika Volkmann

Erstes Mal Sprinten mit Prothese: „Gänsehaut am ganzen Körper“

Die zweiten Ottobock Talent Days 2022 waren wie die ersten ein Wochenende voller Freude. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer konnten unter der Anleitung von Paralympics-Sieger Heinrich Popow lernen, mit einer Sprintprothese zu rennen, mit anderen Amputierten Kontakte knüpfen und vor allem viel Spaß haben.


„Das Gefühl war richtig cool, wie es alle vermisst haben, zu rennen“, sagt Rebecca Brunner aus Österreich. Die 22-Jährige ist nach einem Unfall amputiert worden, trägt nun eine Oberschenkelprothese und ist seit sechs Jahren nicht mehr gerannt: „Ich habe sogar vergessen, dass ich das vermisse. Das war irgendwann selbstverständlich, dass das halt nicht ging und umso schöner ist es jetzt, dass es eigentlich doch wieder geht.“ Nach ihren ersten Talent Days ist sie jetzt „auf jeden Fall ready für mehr“ und hat auch schon ein Ziel: „Ich hätte jetzt gerne eine Sportprothese und will die 30 Meter unter sechs Sekunden laufen.“

Denn nach einer Anpassung der Prothesen am Freitagnachmittag durch das Team von Ottobock und Lentes Prothesenwerkstatt konnten sich am Samstag alle auf der Tartanbahn ausprobieren, wie sich das Sprinten mit einer Sportfeder anfühlt. Zudem wurde Sitzvolleyball gespielt, in verschiedene Disziplinen der Leichtathletik wie den Weitsprung reingeschnuppert und viel gelacht und gespielt. Das Highlight wartete dann am Sonntag: 30 Meter fliegend gegen die Paralympics-Stars wie Johannes Floors, Irmgard Bensusan, Nele Moos oder Philipp Waßenberg, die immer wieder dabei waren und Tipps gaben. „Es war wieder eine tolle Veranstaltung“, sagte ein glücklicher Parasport-Geschäftsführer Jörg Frischmann vom TSV Bayer 04 Leverkusen: „Es waren auch viele Orthopädiemechaniker dabei, um ihr Know-How zu vergrößern im Blick auf Sprintprothesen. Das hilft natürlich allen weiter. Nebenan haben unsere Athletinnen und Athleten trainiert und immer wieder geholfen, dazu eine Athletin aus Japan und eine aus Neuseeland, die hier zu Gast sind. Die Halle war in Parasport-Hand, das war schön anzusehen“, sagte Frischmann, der explizit auch seinem Trainerteam dankte und sich freute, dass auch so viele Geschwisterkinder ohne Behinderung teilnahmen. 

„Neue Menschen, neue Erfahrungen und viel Wissen für mich selbst“ – so fasste der 29-jährige Mustafa Baroudi das Wochenende zusammen. Wie alle anderen ist auch er motiviert, weiter Sport zu machen – Max Ole Wilms will zuhause in Norddeutschland als erstes einen Leichtathletik-Verein suchen. „Ich konnte nach drei Jahre endlich wieder Sport machen“, sagte der 22-Jährige, der eine Umkehrplastik hat: „Ich habe super viel mitgenommen und die Bilder mitgeschrieben, die Heinrich Popow uns mitgegeben hat, um richtig zu laufen.“ Beispielsweise, dass man die Pobacken anspannen soll, um eine 2-Euro-Münze festzuhalten oder wie Michael Jackson in seinen Musikvideos auf den Ballen laufen soll. „Die Stimmung hier im Verein ist klasse, das motiviert richtig, es ist eine riesige Familie. Wenn mal eigentlich erschöpft ist, sieht man die Kiddies mit so viel Power herumtoben, dann denkst du: Du kannst noch mehr. Aber wenn man im Bett liegt, denkt man sich: Ich will nur noch liegenbleiben, so erschöpft ist man auch.“ Max Ole will nun die Zeit aus dem 30-Meter-Rennen nehmen, um zu sehen, wie er sich in den nächsten Wochen und Monaten steigern kann.

Auch die neunjährige Nina Haufe und der 17-jährige Tobias Hemgesberg hatten viel Spaß. Nina, die normalerweise Judo macht, gefiel vor allem das Toben mit den anderen Kindern, die auch eine Prothese haben und Tobias ist jetzt „wieder richtig motiviert. Ich werde das öfters ausprobieren und Leichtathletik zu machen ist echt eine Option für mich. Es tat sehr gut, sich hier mit anderen auszutauschen.“ Anna Osicki hatte fünf Jahre auf den Moment gewartet, „einfach loszurennen und ich hatte am ganzen Körper Gänsehaut. Mir fehlen die Worte vor Dankbarkeit“, schrieb sie auf Instagram. Und der achtjährige Karl Walbert meinte im Anschluss direkt, dass er nächstes Jahr gerne wiederkommen würde – und vielleicht mal mit seinem Freund Ben zum Handball spielen gehen könnte, jetzt, nachdem er eine Sportfeder ausprobiert habe. Am meisten, so sagt seine Mutter Michaela, habe es ihr gefallen, dass man Kontakte knüpfen konnte – zu Ottobock, weil bald die Neuversorgung mit einer Prothese ansteht, aber auch zu Johannes Floors, der das gleiche Krankheitsbild wie Karl hatte. Als sie das sagt, ist auch Karls-Highlight klar: „Dass ich hier den Super-Sportler getroffen habe.“

Wer bis hier gelesen hat: Leider ist es nicht üblich, dass Krankenkassen beinamputierten Menschen eine Sportprothese bezahlen. Wir sind da anderer Meinung, weil wir tagtäglich sehen, wie viel Lebensfreude Sportprothesen geben können. Deshalb unterschreibt diese Petition, wenn ihr auch denkt, dass Sportprothesen für alle da sein sollten.


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