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Ayoub  Qalandari mit seinem Trainer Daniel Beeck und WDR-Reporterin Julia Kleine. Foto: privat
Ayoub Qalandari mit seinem Trainer Daniel Beeck und WDR-Reporterin Julia Kleine. Foto: privat

| Boxen

Ayoub Qalandari: Die perfekte Integration

Der Boxer Ayoub Qalandari hat ein ganz besondere Geschichte. Geflohen aus Afghanistan, Ausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger, DM-Medaillengewinner. 


Am Wochenende hat Ayoub Qalandari Bronze bei der Deutschen Meisterschaft gewonnen. Foto: privat
Am Wochenende hat Ayoub Qalandari Bronze bei der Deutschen Meisterschaft gewonnen. Foto: privat

Wenn Ayoub Qalandari mit seinen 1,60 Meter und etwa 50 Kilogramm im Langenfelder St. Martinus Krankenhaus Patienten auf der „Inneren“ die Medikamente bringt oder die Betten frisch bezieht und dabei immer freundlich und zuvorkommend ist, dann weiß zumindest das übrige Personal, das er auch ganz anders kann: Ayoub Qalandari gehört als Athlet des TSV Bayer 04 in seiner Gewichtsklasse (Fliegengewicht) zur deutschen Spitze im Boxen. Und dort geht es bekanntermaßen deutlich weniger zimperlich zu als im Umgang auf einer Krankenhausstation. Seinem Ruf als äußerst netter und fürsorglicher Gesundheits- und Krankenpfleger schadet das keineswegs. Der 20-Jährige genießt hohes Ansehen – und großen Respekt, denn Ayoubs Geschichte hat es in sich. Davon war übrigens auch der WDR überzeugt, dem dieser besondere Werdegang einen Beitrag in der Lokalzeit Köln wert war.

Mit 15 Jahren kam Ayoub aus Afghanistan nach Deutschland. Bei der Flucht vor den Taliban ging es zunächst schlicht darum, sich lebend in Sicherheit zu bringen. Da seine Eltern nicht über die finanziellen Möglichkeiten für eine Flucht verfügten, verkauften sie ihre Wohnung. Das Geld reichte jedoch nicht für eine Flucht der ganzen Familie nach Europa, so dass sie entschieden, dass Ayoub nach Europa gehen soll, um eine bessere Zukunft zu haben und die Eltern in den Iran gehen werden. Ayoubs Route war von vielen Strapazen begleitet. Weite Strecken legte er zu Fuß zurück, andere Teile wurde er per Auto oder LKW transportiert. Von der Türkei aus musste er mit einem Schlauchboot nach Griechenland übersetzen, auf welches sich etwa 60 Menschen gequetscht hatten. Ayoub sah, wie Menschen auf offener See aus dem Boot fielen, und musste auch mit ansehen, wie Leichen im Wasser trieben. 

Vergessen wird Ayoub diese Bilder nicht mehr, doch bestimmen inzwischen glücklicherweise die unzähligen schönen Momente das „neue“ Leben des TSV-Boxers.  Dazu zählt auch, dass der sympathische Sportler beim TSV Bayer 04 in der Boxabteilung Fuß gefasst hat. Über eine Internet-Recherche kam Ayoub zum TSV, nachdem er 2019 bereits NRW-Meister mit Inter Monheim geworden war. Seine ersten Leverkusener Trainer Jörg Heidenreich und Daniel Beeck erkannten sofort das Talent des Afghanen, der aktuell von Daniel Beeck und Daniel Prosch trainiert wird. „Hier in Leverkusen habe ich tolle Möglichkeiten mich weiterzuentwickeln“, erklärt Ayoub, der in Afghanistan überhaupt keinen Sport gemacht hatte. Dass der Mann mit der sozialen Ader Ehrgeiz und Durchhaltevermögen besitzt, hat er bei seiner Flucht auf eine beeindruckende Art und Weise bewiesen. Wenngleich nichts auf der Welt mit Strapazen wie denen des jugendlichen Ayoubs zu vergleichen ist, so kam ihm seine Beharrlichkeit auch danach zugute: „Ich hatte ja anfangs keinerlei Sprachkenntnisse, wollte aber unbedingt eine Berufsausbildung machen“, berichtet Ayoub, der zunächst die Gesamtschule Monheim und anschließend das Berufskolleg besuchte.

Entsprechend zielstrebig war er in der Ausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger, die er in der Regelzeit erfolgreich beendete. Ein Beruf, den er übrigens nicht zufällig auswählte: So sehr Ayoub seine eigene Entwicklung im Blick hat, so sehr liegen ihm die anderen am Herzen. Schon früh engagierte er sich selber, indem er in der Fußgängerzone Spenden für andere Geflüchtete sammelte. Sein ausgeprägter Sinn, Menschen zu helfen, mündete letztlich auch in der Berufswahl.

Auch im Sport kommt Ayoub seine tadellose Einstellung zugute: „Ich habe recht schnell gemerkt, dass ich mit dem Boxen etwas erreichen kann. Dieses Ziel lasse ich nicht aus den Augen“, berichtet der junge Familienvater, der mit seiner Frau und dem etwa 4 Monate alten Baby in Monheim lebt. Viermal pro Woche kommt er nach der Arbeit in die Boxhalle auf der Kurt-Rieß-Anlage, um an seinen Techniken und der Kondition zu arbeiten. Der Erfolg gibt ihm recht: Dreimal war er inzwischen Deutscher Vizemeister. In diesem Jahr lief es nicht ganz so gut. Bei der DM in Bayern geriet er direkt an einen sehr starken Gegner und unterlag. Am Ende musste er sich mit der Bronzemedaille begnügen. Was für Ayoub nur eines bedeutet: „Aus der Erfahrung lernen und weitermachen!“

Für Ayoubs Kolleginnen und Kollegen im Krankenhaus ist die Platzierung bei einer Meisterschaft ohnehin zweitrangig. Sie nennen ihn auch weiterhin respektvoll „kleiner Mike Thyssen“.

Text: Uwe Pulsfort

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